EFORT 2013: Europäischer Orthopädiekongress mit 7.500 Teilnehmern/-innen in Istanbul

EFORT 2013: Europäischer Orthopädiekongress mit 7.500 Teilnehmern/-innen in Istanbul

Der Anteil der Patienten/-innen, die vor und nach einer Hüftimplantation körperlich aktiv sind, ist im letzten Jahrzehnt um 14 Prozent gestiegen, wie Schweizer Forscher/-innen beim EFORT Kongress in Istanbul berichten. In einer aktuellen Langzeitstudie bestätigen sie den nachhaltigen Erfolg von Hüftprothesen, warnen aber vor einem Übermaß an Aktivität.

Istanbul, 5. Juni 2013 – Hüftimplantationen verbessern wesentlich und dauerhaft den Level körperlicher Aktivität bei Männern wie Frauen aller Alterskategorien. Das bestätigt eine Studie der Genfer Universitätsklinik, die heute beim Kongress der Europäischen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie (EFORT) in Istanbul vorgestellt wurde. 7.500 Experten/-innen diskutieren hier aktuelle Entwicklungen des Fachgebiets. „An eine Hüftimplantation sind in der Regel große Hoffnungen geknüpft: Der Schmerz soll weggehen und die Beweglichkeit wieder kommen. Doch manche Patienten/-innen schrauben ihre Erwartungen zu hoch und sind dann nach der Operation enttäuscht“, so Studienautorin Dr. Anne Lübbeke-Wolff. „Wir wollten daher objektivierbar machen, wie sich die körperliche Aktivität der Betroffenen vor und nach dem Eingriff entwickelt“. Konkret wurde der Frage nachgegangen, ob sich bei Patienten/-innen einer bestimmten Alterskohorte in den letzten zehn Jahren die körperliche Aktivität vor und nach einer Hüftimplantation verändert hat. Für die Studie wurde der Lebensstil von über 2.900 Patienten/-innen vor und von rund 1.600 Patienten/-innen nach dem Eingriff untersucht. Die Probanden/-innen waren zum Zeitpunkt der OP durchschnittlich 68 Jahre alt und zu 56 Prozent weiblich. 

Aktiver denn je

Die Ergebnisse sind erfreulich: Während zwischen den Jahren 2000 und 2003 noch 68 Prozent der Probanden/-innen angaben, einen bewegungsarmen Lebensstil zu pflegen, waren es zwischen 2007 und 2011 trotz gleichen Durchschnittsalters nur 54 Prozent. Auch mit Hüfttotalprothese sind Patienten/-innen inzwischen aktiver denn je zuvor. So gaben Personen, die zwischen 2000 und 2003 operiert worden waren, fünf Jahre nach der Intervention zu 53 Prozent an, Bewegungsmuffel zu sein. Bei den Operierten der Jahre 2004 bis 2011 waren es nur mehr 39 Prozent. „Die Studie bestätigt, dass Menschen tendenziell mehr Bewegung machen als noch vor wenigen Jahren“, so EFORT-Präsident Prof. Pierre Hoffmeyer (Universitätsklinik Genf). Die Steigerung stünde im Einklang mit Erhebungen zur Aktivität von Schweizer Erwachsenen der Normalbevölkerung. Auch internationale Analysen belegen den Trend zu einem moderaten Mehr an Bewegung. „Die Gründe dafür sind vielschichtig. Für unsere Kohorte lässt sich jedenfalls sagen, dass die Patienten/-innen einen zunehmend besseren Allgemeinzustand aufweisen. Das erklärt einen Teil des höheren Grades an Aktivität. Gleichzeitig scheint sich auch zunehmend das Bewusstsein in der Bevölkerung durchzusetzen, wie wichtig körperliche Betätigung ist. Fakt ist, dass in der letzten Dekade der Anteil der Patienten/-innen, die vor und nach der Hüftimplantation aktiv sind, um 14 Prozent gestiegen ist“, so Prof. Hoffmeyer. 

Nachhaltig in Bewegung

Die Studie erbringt zudem den Nachweis, dass die körperliche Aktivität durch die OP in einem hohen Maß wiederhergestellt werden kann. „Durch die Beschwerden mit der Hüfte bewegen sich Männer wie Frauen vor der Implantation nur mehr halb so viel wie im gesunden Zustand. Die Operation kann die Lebensqualität doch erheblich verbessern. Der Grad an körperlicher Aktivität ist auch zehn Jahre nach der OP und trotz fortschreitenden Alters der Patienten/-innen weitaus höher als unmittelbar vor der OP“, berichtete Dr. Lübbeke-Wolff. Zu jedem Zeitpunkt der Erhebung konnte festgestellt werden, dass sich Frauen weniger als Männer bewegen. „Zu diesen Genderunterschieden in Bezug auf Aktivität gibt es diverse Theorien – angefangen vom unterschiedlichen Spielverhalten von Mädchen und Buben bis hin zu althergebrachten Rollenbildern, die in der älteren Generation noch zu wirken scheinen: Männer dürften eher die Zeit für sportliche Bewegung, aber auch für Erholung finden, während Frauen tendenziell mehr mit dem Haushalt beschäftigt sind“, betonte die Studienautorin.

Vorsicht bei zu viel Bewegung

Die Hüftprothesenoperation hat das Ziel, Schmerzen zu lindern und die Aktivität der Patienten/-innen soweit es geht wiederherzustellen. Einige Patienten/-innen sind nach der Implantation allerdings zu aktiv und verkürzen damit die Lebensdauer der Prothese. „In diesem Kontext ist es sehr wichtig, dass die behandelnden Ärzte/-innen eine detaillierte Diskussion mit den Patienten/-innen über ihre früheren Sport-, Freizeit- und gegebenenfalls Arbeitsaktivitäten führen, sie nach ihren Erwartungen fragen und sie über die Aktivitäten, die mit einer Prothese möglich sind, informieren. Dies sollte unbedingt vor der Operation und auch weiterhin während der Nachkontrollen stattfinden. Die Patienten/-innen sollten wissen, dass die Operation im Durchschnitt zu einer erheblichen Verbesserung der Aktivität im Vergleich zu dem Zustand vor der Operation führt, aber dass die Aktivität möglicherweise nicht ganz das Niveau vor Beginn der Arthrose-Symptome erreichen mag, im Besonderen nicht bei Patienten/-innen, die unter 55 Jahre alt sind“, betonte Prof. Hoffmeyer

Hüftgelenke: Zahlen und Fakten

Gelenksarthrosen gehören zu den Krankheiten, die in entwickelten Ländern am häufigsten zu Behinderung führen. Weltweit sind laut WHO 9,6 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen davon betroffen. Für die Behandlung schwerer Fällen hat sich die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks als effektive und kosteneffiziente Intervention erwiesen. Die Operation wird überwiegend bei Menschen ab 60 Jahren durchgeführt. Wie OECD-Daten zeigen, nehmen die Eingriffe nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung stark zu. Die Zahl der Hüftimplantationen ist zwischen 2000 und 2010 in Dänemark um 40 Prozent, in Spanien um 25 Prozent und in Frankreich um zehn Prozent gestiegen – ein Faktum, das auch gesundheitsökonomisch zu Buche schlägt. Die Kosten für einen Hüftersatz in Europa wurden 2009 mit durchschnittlich 7.300 Euro beziffert, was wohl auch die enormen regionalen Unterschiede bei den Operationen erklärt. Zypern erreicht mit 15 Hüftimplantationen pro 100.000 Einwohner/-innen gerade einmal ein Zehntel des untersuchten EU-24-Durchschnitts, der bei 153 künstlichen Hüftgelenken pro 100.000 Einwohner/-innen liegt. Deutschland verdoppelt den EU-Durchschnitt nahezu und bringt es auf 295 OPs pro 100.000 Einwohner/-innen. Altersstandardisierte Zahlen verändern an diesem Ranking wenig. Es scheint also weniger von medizinischen Notwendigkeiten als von ökonomischen Aspekten abzuhängen, ob Patienten/-innen in Europa eine Hüftimplantation bekommen.                                             

Hintergrund EFORT

Die European Federation of National Associations of Orthopaedics and Traumatology (EFORT) ist die Dachorganisation orthopädischer Fachgesellschaften in Europa. EFORT wurde 1991 im italienischen Marentino gegründet. Heute gehören ihr 42 nationale Mitgliedsgesellschaften aus 43 Ländern und sechs assoziierte wissenschaftliche Organisationen an.

EFORT ist eine Non-Profit Organisation. Das Ziel der Mitgliedsgesellschaften ist es, den Austausch von wissenschaftlichem Fachwissen und von Erfahrungen in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems zu fördern. EFORT organisiert europäische Konferenzen, Schulungen, Kurse, Foren und Kongresse. Ferner werden von EFORT Grundlagenforschung und klinische Forschung initiiert und unterstützt.

Quellen: EFORT Abstract 3595: Trends in patient physical activity before and after primary THA; How do we eat and exercise? Trends in nutrition and physical activity in Switzerland.: Swiss health observatory; 2010.; Knuth AG, Hallal PC. Temporal trends in physical activity: a systematic review. J Phys Act Health 2009; 6(5): 548-59; J Women Aging. 2005;17(1-2):55-70. Gender differences in physical activity and walking among older adults. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15914419; OECD (2012): „Health at a Glance“, OECD Publishing: http://www.keepeek.com/Digital-Asset-Management/oecd/social-issues-migration-health/health-at-a-glance-europe-2012/hip-and-knee-replacement_9789264183896-37-en

Weiteres Bildmaterial